All posts
Blogs

Sicherheitstechnologien gegen den Konsum von Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern

January 15, 2025

Von Larissa van Puyvelde, Minne De Boeck und Catherine McShane

Der technologische Fortschritt, der einfache Zugang zum Internet und die Möglichkeit, online anonym zu bleiben, haben zu einem rasanten Anstieg von Angebot und Nachfrage nach Missbrauchsabbildungen geführt. Jedes Jahr werden Millionen solcher Inhalte online verbreitet – die von Organisationen wie der Internet Watch Foundation im Vereinigten Königreich oder dem National Centre for Missing and Exploited Children in den USA registrieren Fälle sind dabei nur die Spitze des Eisbergs.

Die Folgen für die Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs sind gravierend, da die Aufnahmen oft noch lange nach der Beendigung ihrer Missbrauchserfahrung weiterhin im Internet kursieren. Jedes erneute Teilen oder Ansehen solcher Aufnahmen bedeutet eine Wiederholung des Leids und macht die Betroffenen erneut zu Opfern. Herkömmliche Ansätze der Strafverfolgung sind dem Ausmaß und der globalen Dimension des Problems kaum gewachsen.

Neue Ansätze sind dringend erforderlich, um dieses komplexe Problem anzugehen. Im Rahmen der EU-Strategie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern werden derzeit verschiedene Studien zu Präventionsmaßnahmen finanziert.

Eines dieser Projekte ist Protech. Ziel ist die Entwicklung, Erprobung und Evaluierung einer technischen Anwendung zur Verhinderung des Konsums und der Verbreitung von Missbrauchsabbildungen. Dieses Tool als Ergänzung für Präventionsprogramme bei Personen gedacht, die gefährdet sind, solche Inhalte zu nutzen. Die erste Hälfte der Projektlaufzeit ist abgeschlossen. Im Folgenden werden die bisherigen Erkenntnisse zusammengefasst.

Das Projekt Protech bringt Expert:innen aus verschiedenen europäischen Ländern (Belgien, Niederlande, Deutschland, Irland und dem Vereinigten Königreich) zusammen, die über Fachwissen in Kriminologie, öffentliche Gesundheit, klinische und forensische Psychologie, Technologie, Kinderschutz und Internetsicherheit verfügen.

Das Ziel ist es, eine technische Anwendung zu entwickeln, die Missbrauchsabbildungen auf den Endgeräten der Nutzer:innen identifiziert und blockiert. Zusätzlich soll die Anwendung Warnmeldungen anzeigen, die auf die Schädlichkeit solcher Inhalte hinweisen.

Die Entwicklung folgte dem Prinzip „für und mit den Nutzenden“ , um sicherzustellen, dass die Anwendung ihren Bedürfnissen entspricht und effektiv dabei unterstützt, riskantes Verhalten zu stoppen. Zu diesem Zweck holte das Projektteam in der Designphase Rückmeldungen von zwei Zielgruppen ein, um Anforderungen, Erwartungen und Bedenken zu berücksichtigen.  Die erste Gruppe bestand aus 30 Personen, die sich selbst als gefährdet einschätzten, Missbrauchsabbildungen zu konsumieren. Die zweite Gruppe bestand aus Fachkräften, hauptsächlich Therapeut:innen, die mit Klienten arbeiten, die Missbrauchsabbildungen konsumieren. Die erste Gruppe wurde in Einzelinterviews befragt, während die zweite in Fokusgruppen Rückmeldungen gab.

Die Teilnehmenden wurden gebeten, ihre Meinung zu vier zentralen Aspekten der Anwendung zu äußern: Datenschutz (1), Sperrsfunktionen (2), Interaktivität (3) und Bereitstellungsmöglichkeiten (4).

Datenschutz (1) erwies sich als sensibelster Bereich. Viele äußerten Bedenken bezüglich der Speicherung persönlicher Daten, der Datensicherheit und potenzieller rechtlicher Konsequenzen. Daher wurde dem Schutz der Privatsphäre bei der Entwicklung höchste Priorität eingeräumt.

Bei den Sperrfunktionen (2) und der Interaktivität (3) gab es keine einheitliche Meinung. Eine Erkenntnis war jedoch, dass viele Nutzer:innen die Funktionen der Anwendung gerne individuell anpassen würden. Dazu gehörten beispielsweise personalisierte Warnmeldungen, ein optionaler Pornofilter und eine Tagebuchfunktion. Einige Teilnehmer:innen waren der Meinung, dass der Zugang zu Erwachsenenpornografie ihre sexuellen Impulse kontrollieren könnte, während andere dies für kontraproduktiv hielten. Die Teilnehmenden sprachen sich auch für den Zugang zu einem FAQ-Bereich zur Nutzung der Anwendung sowie für die Möglichkeit ausbieten, den Entwickler:innen Feedback zu geben

Auch bei der Bereitstellung der Anwendung (4) gingen die Meinungen auseinander. Einige favorisierten den Download über offizielle Kanäle, während andere auf anonyme Zugangswege bestanden. Schließlich wurde entschieden, die Anwendung zunächst über ein externes Portal bereitzustellen, um größtmöglichr Sicherheit und Anonymität zu gewährleisten.

Auf Basis dieser Erkenntnisse entstand der erste Prototyp der App „Salus“, der derzeit in einer Pilotstudie getestet wird. Die Anwendung nutzt maschinelles Lernen und andere Techniken wie das Abgleichen von Schlüsselwörtern oder URLs, um bekannte Missbrauchsabbildungen zu erkennen und deren Anzeige auf dem Bildschirm des Endnutzers zu verhindern.

Das Protech-Projekt basiert auf Freiwilligkeit: Teilnehmende können während der gesamten Pilotphase selbst entscheiden, ob sie die App nutzen, und werden umfassend über ihre Funktionsweise, den Zugang sowie Ausstiegsmöglichkeiten informiert.

Es wird immer Möglichkeiten für die Nutzer:innen geben, solche Technologien zu umgehen. Das Besondere an der Zielgruppe des Projekts ist, dass es sich um Menschen handelt, die aktiv Hilfe suchen und bereit sind, sich freiwillig auf das Projekt einzulassen.

In der dreimonatigen Pilotphase nehmen 30 bis 50 Klienten etablierter Behandlungsprogramme teil, wovon eine Interventionsgruppe die Anwendung testet. Die Teilnehmenden werden regelmäßig zu ihrem Wohlbefinden, Online-Verhalten und ihrer Erfahrung mit der Anwendung befragt.

Im letzten Schritt werden die Ergebnisse analysiert, um die Wirksamkeit der Anwendung zu bewerten. Dabei wird untersucht, ob die Technologie als Präventionsmaßnahme geeignet ist und wie sie weiter verbessert werden kann.

Bei erfolgreicher Bewertung könnte der Einsatz dieser innovativen Technologie gefährdeten Personen helfen, ihren Konsum von Missbrauchsabbildungen zu kontrollieren, und als Modell für den Einsatz von Sicherheitstechnologien zur Täterprävention in der gesamten EU dienen. Dennoch ist klar: Solche Tools sind nicht die einzige Lösung. Im Idealfall sollten Technologien wie Salus als Teil eines umfassenderen Maßnahmenpakets eingesetzt werden, das darauf abzielt, sexuellen Missbrauch und Ausbeutung von Kindern zu verhindern, Opfer besser zu schützen und Strafverfolgungsbehörden zu entlasten.

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 4. Oktober 2024 im Blog der “Association for the Treatment & Prevention of Sexual Abuse” (ATSA).